Einfluss der ketogenen Ernährung auf das Gehirn
May 15, 2025
Eine ketogene Ernährung (KD) ist eine normokalorische Ernährung, die aus einem hohen Anteil aus Fett und einem niedrigen Anteil aus Kohlenhydraten und Protein besteht. Eine KD hat unter anderem physiologische Auswirkungen auf den Körper, die dem Fasten sehr ähnlich sind. Eine ketogene Ernährung bewirkt die Produktion von Ketonkörper, die vom Körper und vom Gehirn als energiereiches Substrat verwendet werden können. Da das Gehirn nur Glukose oder Ketone direkt verstoffwechseln kann, müssen alle freien Fettsäuren zuerst in Ketone umgewandelt werden. Ketonkörper werden häufig auch als vierter Makronährstoff bezeichnet. Ketonkörper verbessern den oxidativen Stoffwechsel von Mitochondrien, was zu einer verbesserten ATP-Produktion führt, wirken neuroprotektiv, reduzieren die Bildung von oxidativen Stress und haben eine antiinflammatorische Wirkung auf das Nervensystem.
Hintergrund
Seit etwa einhundert Jahren wird die KD als Therapieform zur Bekämpfung von Epilepsie verwendet. Die KD zeigt vor allem bei medikamentresistenter Epilepsie eine Verbesserungsrate von etwa 50% in Bezug auf die Anfallshäufigkeit. Der Wirkmechanismus wird in der Reduktion des Glukosestoffwechsels und in der Förderung der Lipidoxidation vermutet. Darüber hinaus zeigt sie auch Verbesserungen bei diversen anderen neurologischen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Ketonkörper haben einen positiven Einfluss auf die Motorik, die bei vielen neurologischen Erkrankungen gestört ist. Durch den Einsatz einer KD werden plötzliche neuronale Entladungen, wie sie zum Beispiel bei einem epileptischen Anfall vorkommen, deutlich reduziert.
Aufbau
Bei einer KD werden etwa 90% der Kalorien aus fettreichen Nahrungsmitteln gewonnen. Die restlichen Kalorien werden zwischen Protein und Kohlenhydraten aufgeteilt, wobei Proteine in der Regel nicht mehr als 1g/kg Körpergewicht betragen und die Kohlenhydrate auf maximal 30g limitiert sind. Sportler können häufig mehr als 30g KH konsumieren, da der Körper mehr Kohlenhydrate verträgt ohne aus der Ketose geworfen zu werden. Dies gilt vor allem für Personen, die bereits längere Zeit in einem ketogenen Zustand leben und dadurch als veto-adaptiert gelten. Eine ketogene Ernährung führt zur verstärkten Produktion von Acetoacetat und ß-hydroxbutyrat während der Verstoffwechselung von freien Fettsäuren in der Leber. Astrozyten im Gehirn sind ebenfalls dazu in der Lage Ketonkörper aus Fettsäuren herzustellen und diese als Energiequelle für die Blut-Hirn-Schranke (BHS) zu nutzen. Die BHS ist die Barriere, die unser Gehirn von dem restlichen Kreislauf trennt, um es vor Schadstoffen zu schützen. Die Astrozyten sind ein wichtiger Bestandteil bei der Bildung und Aufrechterhaltung der BHS. Obwohl das Gehirn mit Glukose hervorragend arbeiten und funktionieren kann, präferieren die Astrozyten Fette über Glukose als Energiequelle. Daher stellen Ketonkörper beziehungsweise Fettsäuren eine alternative Energiequelle für das Gehirn dar. Da Fettsäuren nicht direkt die BHS passieren können, müssen diese
zuerst von der Leber in Ketonkörper umgewandelt werden. Je nachdem um welche Fette es sich handelt, kann die Umwandlung schneller oder langsamer von statten gehen. Vor allem die Umwandlung von den MCT-Fettsäure C8 (Caprylsäure) in Ketone in der Leber vollzieht sich recht schnell. Die Zufuhr von C8 durch die Ernährung (zum Beispiel in Form von MCT-Öl oder Kokosfett) führt zu einem Anstieg an Ketonen im Blut. Dies passiert auch dann, wenn die betreffende Person nicht in Ketose ist. Ein vergleichsweise stärkerer Anstieg ist nur bei einer direkten Supplementation von exogenen Ketonen zu verzeichnen, da Ketone nicht nur direkt von der Leber und den Astrozyten gebildet werden können, sondern mittlerweile auch von außen (exogen) zugeführt werden können.
Energiegewinnung
Ketonkörper können sogar schneller vom Gehirn verwertet werden und erzeugen mehr ATP als Glukose (+27%). Daher muss festgehalten werden, dass Glukose keinerlei Vorteile gegenüber der Verstoffwechselung von Ketonkörper im Gehirn hat. Neurologische Störungen werden häufig mit einer Störung der ATP-Produktion hervorgerufen durch einer mitochondrialen Dysfunktion in Verbindung gebracht. Dadurch lässt sich ebenfalls der positive Effekt der KD auf den Schutz von Mitochondrien und ATP erklären. Nach traumatischen Erlebnissen oder bei einer starken Stressbelastung ist der komplette Verzicht auf Kohlenhydrate jedoch problemtisch, da eine zu schnelle Reduktion von Kohlenhydraten zu Störungen im Stoffwechsel und einer Verschlimmerung der jeweiligen Stresssymptomatik bewirken kann. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Person jeweils im Vorfeld sich ketogen ernährt oder bereits keto-adaptiert ist.
Neuroinflammation
Ketonkörper reduzieren oxidativen Stress und bewirken eine stärkere Glutathionproduktion im Gehirn. Dies führt zu dem bereits erwähnten neuroprotektiven Effekt, da Glutathion neben Melatonin das wichtigste Antioxidans für das Nervensystem ist. Die verstärkte Glutathionproduktion istvor allem im Hippocamus nachzuweisen. Der Hippocampus ist die zentrale Schaltzentrale im limbischen System und wichtig für die .berführung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis. Darüber hinaus ist der Hippocampus auch für unsere Gefühlswelt verantwortlich. Depressionen können zu einem reduzierten Volumen im Hippocampus führen. Chronischer emotionaler Stress und Traumata führen ebenfalls zu einer Reduktion des Volumens im Hippocampus. Dies führt zu einer mangelnden Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Stressoren und negativen emotionalen Ereignissen. Emotionale Stimuli können dadurch Schlechter verarbeitet werden. Darüber hinaus hat eine Kalorienrestriktion einen ähnlichen Effekt wie die KD. Da wir nicht vollständig auf Kalorien verzichten können, stellt die KD eine praktikable Möglichkeit dar eine normkalorische Ernährung zu nutzen, um die positiven Effekte einer Kalorienrestriktion verfügbar zu machen.
Neurotransmitter
Es gibt mittlerweile auch ausreichende Belege dafür, dass die KD für eine bessere Balance zwischen GABA und Glutamat im Nervensystem sorgt. Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter, während GABA der wichtigste hemmende Neurotransmitter ist. Neuronale Schädigungen, wie sie zum Beispiel durch Epilepsie oder einer Gehirnerschütterung, aber auch durch Depressionen und Burnout ausgelöst werden, sorgen für ein Ungleichgewicht zwischen GABA und Glutamat zu Gunsten von Glutamat. Dies führt zu einer verstärkten neurologischen Belastung und sorgt für eine chronische Übererregung im Nervensystem, da Glutamat in zu hohen Mengen neurotisch wirkt. Die Folge davon ist eine Schädigung der Nervenzellen, da diese dauerhaft überaktiv sind und sich leichter erregen lassen. Die Folge ist eine schnelle Ermüdung der Nervenzelle und eine chronische Überempfindlichkeit in vielen Gehirnarealen, die zum Beispiel zu Lichtsensibilität, Geräuschempfindlichkeit, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Menschenmassen, Kopfschmerzen oder sogar Migräne und Tinnitus führt. Häufig werden die Betroffenen sehr schnell müde und leiden unter Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen. KD kann für eine Hemmung der Erregung durch eine verstärkte Produktion von GABA sorgen, was zu mehr Inhibition im Nervensystem führt. GABA wirkt dabei jedoch nicht chronisch inhibierend und beeinträchtigt nicht mögliche Aktivitäten von Neuronen. Es schützt primär vor abnormalen Entladungen und einer Hyperpolarisation. Dies bewirkt einen direkten Zellschutz der Nervenzellen. Dadurch lassen sich viele Symptome diverser neurologischer Erkrankungenoder Störungen reduzieren. Sogar chronische Schmerzen lassen sich durch eine KD reduzieren. Der Wirkmechanismen lässt sich teilweise ebenfalls durch die Modulation von GABA und Glutamat erklären. Durch eine Verstärkung hemmender Einflüsse können nozizeptive Signale reduziert und somit Schmerz weniger stark wahrgenommen werden. Außerdem wirkt die Reduktion der Verstoffwechselung von Glukose analgetisch, was direkt in einer reduzierten Schmerzwahrnehmung resultiert.
Dopamin
KD schützt die Zellen vor einem übermäßigen Abbau von Dopamin. Bei parkinsonschen Erkrankungen kommt es zu einem starken Verlust von dopaminergen Zellen (dopaminproduzierende Zellen). Dadurch sinkt das Dopamin, was sich in erster Linie negativ auf Antrieb und Motivation auswirkt. Längerfristig bewirkt die reduzierte Dopaminproduktion eine Störung der Motorik durch eine negative Beeinflussung der Basalganglien, da diese auf einen konstanten Zustrom des Dopamins angewiesen sind um gewollte Bewegungen aktivieren und ungewollte Bewegungen hemmen zu können. Unkontrollierte Bewegungen und abgeschwächte Bewegungen sind die Folge. Sogar Tic-Störungen lassen sich auf eine Störungen der subkortikalen Basalganglien zurückführen.
Exogene Ketone
Anstelle einer KD lassen sich auch exogene Ketone in die Ernährung als Supplement miteinbeziehen. Exogene Ketone wie ß-Hydroxybutyrat sind für den Körper und das Gehirn schneller verfügbar als durch eine reguläre KD oder Fastenkur. Häufig erleichtern sie den ersten Schritt zu einer regulären KD, da viele Menschen Probleme mit einem schnellen Verzicht von Kohlenhydraten haben. Exogene Ketone wird schnell appetitregulierend und neigen dazu Heißhungerattacken zu unterdrücken. Dadurch reduziert sich der bedarf an Kohlenhydrate, was die Umstellung zu einer KD erleichtert. Doch eine KD wirkt sich nicht nur positiv auf bereits vorliegende Erkrankungen aus. Sie hat auch eine schützende Funktion der neuronalen Netzwerke und kann die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung minimieren. Dies führt zu einer Gesunderhaltung des Gehirns und einer Schutzfunktion vor möglichen neurodegenerativen Schädigungen in der Zukunft. Neuronale Netzwerke sind relevant für eine gesunde Gehirnaktivität und kognitiven Fähigkeiten. Obwohl unser Gehirn mit Glukose funktioniert, zeigen Untersuchungen, dass Glukose zu einer Destabilisierung der neuronalen Netzwerke führt, während Ketone diese Netzwerke stabilisieren. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Ketone aus einer KD oder um eine exogene Zufuhr von Ketonkörpern handelt. Daraus lässt sich ableiten, dass Ketone auch eine protektive Funktion haben, wenn noch keine Schädigungen oder Beeinträchtigungen vorliegen. In Bezug auf den starken Anstieg an Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen in den letzten Jahren, scheint eine KD oder zumindest die Zufuhr von Ketonen, eine geeignete Strategie zu sein, um möglichen Erkrankungen vorzubeugen. Der gesundheitsfördernde Effekt durch die KD lässt sich unter anderem auf Grund der erhöhten ATPProduktion erklären. Daraus resultiert eine stärkere Verfügbarkeit von diversen Neurotransmittern, was zur optimalen Funktion des Nervensystems beiträgt. Defizite in Neurotransmittern werden bei verschiedenen Erkrankungen oder neuronalen Störungen erkannt. Schlafstörungen, Depressionen und Angststörungen können zu einem stärkeren Verbrauch von Serotonin führen. Durch die neuroprotektive Funktion der KD kann davon ausgegangen werden, dass ein Verbrauch von Serotonin reduziert und die Werte stabilisiert werden. Dieser stabilisierende Effekt kann nicht nur in Bezug auf Serotonin belegt werden, sondern auch, wie bereits oben erwähnt, in Bezug auf GABA und Dopamin.
Neurodegeneration
Die bereits erwähnten positiven Effekte in Bezug auf den Schutz vor neurodegenerativen Erkrankungen lassen sich durch die Säuberung von Amyloid-Beta erweitern. Amyloid-Beta ist ein Marker für die Plaquebildung im Nervensystem und dadurch auch ein Marker für Alzheimer. Alzheimer (AD) ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung, die durch einen Verlust kognitiver Fähigkeiten definiert wird. Dabei kommt es zu degenerativen Veränderungen im Cortex, subkortikalen Bereichen wie den Basalganglien und im limbischen System. Ein wichtiger Mechanismus in AD ist die Störung des Glukosestoffwechsels. Daher ist AD häufig von einer Insulinresistenz im Gehirn begleitet. Glukose kann auf Grund der Resistenz gegenüber Insulin im Gehirn nicht mehr optimal verstoffwechselt werden. Areale, die von dieser Stoffwechselstörung betroffen sind, sind der Temporallappen, Parietallappen und der präfrontale Cortex. Man kann in diesem Zuge auch von einer Insulinerkrankung sprechen. Auf Grund dieser Glukosestoffwechselstörung scheint die Nutzung von Ketonkörpern als primäre Energiequelle optimal. In Bezug auf AD zeigen sich die Defizite im Glukosestoffwechsel bereits Jahre vor den ersten spezifischen AD-Symptomen. Laborwerte wie Nüchternblutzucker, Insulin und HOMA-IR eignen sich daher sehr gut, um rechtzeitig mögliche Defizite im Glukosestoffwechsel aufzudecken und so frühzeitig die Entstehung von AD und auch andere neurodegenerative Erkrankungen zu verhindern.
Mikrobiom
Die KD kann eine positive Wirkung auf das Mikrobiom im Darm haben und somit für eine bessere Balance aus guten und schlechten Bakterien sorgen. Dies führt nicht nur zu einer besseren Darmfunktion, sondern auch zu einer besseren Funktion des Immunsystems und hat darüber hinaus positive Auswirkungen auf das Gehirn. Durch die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn lassen sich positive Auswirkungen auf den Darm auch auf das Gehirn beziehen (Gehirn-Darm-Achse). Somit kann der Darm direkt über die ketogene Ernährung profitieren, aber auch über die vagale Verbindung zwischen Hirnstamm und Darm. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die KD ausreichende Mengen an Ballaststoffen bietet. Eine ballaststoffarme Ernährung kann zu Darmproblemen führen. Dabei ist der Ballaststoffbedarf jedoch sehr individuell, da auf der anderen Seite auch bestimmte Ballaststoffe zu verstärkten Darmproblemen führen kann. Nicht selten können Darmprobleme zum Beispiel durch eine Karnivore Ernährung behoben werden, obwohl sich in dieser keine Ballaststoffe befinden. Ein gesundes Mikrobiom kann sich unmittelbar auf die Funktion des Vagus auswirken. Bestimmte Bakterienstämme zeigen eine positive Wirkung auf den Vagus und sorgen somit für eine verbesserte Regulation zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Zu diesen Bakterien gehören unter anderem Bifidobacterium longum und Lactobacillus rhamnosus.
Fazit
Eine KD kann daher präventiv aber auch rehabilitativ bei diversen neuronalen Störungen sinnvoll sein. Dabei sollten Kohlenhydrate langsam reduziert werden, um die individuell optimale Menge bestimmen zu können. Ohne Beratung sollte eine KD nicht ohne Weiteres ausgeführt werden, da es bei vorliegenden gesundheitlichen Problemen zu schweren Nebenwirkungen kommen kann. Unter anderem berichten vor allem Frauen über Nebenwirkungen in Bezug auf die Funktion der Schilddrüse, hervorgerufen durch eine unsachgemäß durchgeführte KD. Es gilt daher im Einzelfall zu prüfen für wen eine KD tatsächlich sinnvoll ist. Eine sinnvolle Unterstützung in der Anfangsphase ist die Verwendung von exogenen Ketonen, um mögliche riskante Nebenwirkungen zu vermeiden.